Der Übersetzungspreis

Ich habe einen Preis gewonnen. Die Nachricht erreichte mich auf einer Japanreise, im Shukkeien-Garten in Hiroshima.

Es war das erste Mal, dass ich an einem literarischen Übersetzungswettbewerb teilgenommen hatte. Thema war die Übersetzung eines Gedichts der polnischen Dichterin und Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska. Polnisch ist mein jüngster Spracherwerb und ich meinte, es wäre einen Versuch wert. Natürlich wollte ich die Sache gut machen und habe an manchen Stellen tagelang gefeilt. Die Suche nach dem treffenden Wort, dem richtigen Rhythmus macht mir Spaß. Und natürlich habe ich auch über die Biographie der Autorin, den Entstehungs- und den möglichen Deutungskontext des Gedichts nachgedacht.

Dass meine Übersetzung als beste unter mehr als sechzig eingereichten gereiht wurde, hat mich überrascht. Nun wurde ich zur Preisverleihung bei einer Konferenz eingeladen, zu der ich aus Zeitgründen eigentlich nicht kommen konnte. Schließlich wurde es doch möglich und ich machte mich auf den Weg nach Frankfurt an der Oder, wo sich unter dem Motto „Manche mögen Poesie“ das Gros der Szymborska-Experten aus Polen und Deutschland versammelt hatte.

Ich bin keine Szymborska-Expertin, habe nur wenige ihrer Gedichte gelesen. Unterwegs las ich, was mir in die Hände fiel, Texte über sie und Gedichte von ihr. Dieser Preis ist ein Zufall, dachte ich, ich bin eine Outsiderin. Dass meine Teilnahme ein Zufall war, stimmt, der Facebook-Algorithmus hatte mir die Ausschreibung angezeigt. Fatalisten würden sagen, es war Schicksal, doch daran glaube ich nicht.

Nun war ich also in Frankfurt, zog meinen Rollkoffer über die Pflastersteine vom Bahnhof zum Hotel, legte mich im Zimmer kurz aufs Bett, nur um wieder aufzuspringen und festzustellen, dass ich keinerlei Dankesrede vorbereitet hatte. Was, wenn ich nach meiner Vorgangsweise bei der Übersetzung, nach meiner Interpretation des Gedichts gefragt werde? Dazu sollte ich mir noch etwas zurechtlegen.

Logenhaus

Die Preisverleihung fand im Logensaal der Europa-Universität Viadrina statt, in dem die Karl-Dedecius-Stiftung, die den Übersetzungspreis ausgeschrieben hatte, ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Karl Dedecius war Szymborskas wichtigster Übersetzer ins Deutsche, der sich um die Veröffentlichung ihrer Werke in deutscher Sprache verdient gemacht hat. Ich setzte mich in einem Zustand gespannter Aufmerksamkeit in die erste Reihe. Die Gäste trafen ein und begrüßten einander, ich kannte niemanden.

Der Abend begann mit einer Podiumsdiskussion über die Förderung literarischer Übersetzungen. Danach spielte ein klassisches Trio moderne Musik und schließlich kam die Preisverleihung an die Reihe. Ich wurde kurz vorgestellt, mit zwei G wie Roggner. Die Erwähnung meiner sechs Fremdsprachen hinterließ Eindruck, wie ich später feststellte, denn ich wurde mehrmals danach gefragt. Es folgte eine kurze Laudatio meiner „hervorragenden“ Übersetzung. Gelobt zu werden tut gut, das sollten sich auch chronische Selbstkritiker wie ich ruhig eingestehen und das Lob nicht selbsttätig später relativieren. Ich stand auf und nahm eine Urkunde und einen Stoß Bücher entgegen, die gesammelten Werke der Dichterin und eine Ausgabe der deutschen Übersetzungen.

Eine polnische Literaturwissenschaftlerin trug das Gedicht „Śmiech” vor, dann zog ich das Blatt mit meiner Übersetzung aus der Tasche – beinahe hätte ich stattdessen die Reisekostenabrechnung mitgenommen, und trat ans Rednerpult. Ich beschloss, mich zurückzuhalten. Im Hotelzimmer hatte ich die Übersetzung einmal probegelesen, mich aufgenommen und meinen Vortrag als zu theatralisch empfunden. Es war schön, die Aufmerksamkeit der Menschen zu haben und meine Übersetzung zu präsentieren. Es gibt mehrere Stellen in meinem Text, an denen ich mich noch immer frage, ob nicht eine andere Übersetzung, eine andere Sichtweise des Originals angebrachter gewesen wäre. Doch vortragen muss man mit Überzeugung. Ich erntete Applaus, man gratulierte mir.

Später kam ein junger polnischer Kulturredakteur auf mich zu, um mir überschwänglich zu danken. Er fand meinen Vortrag intensiv und den Text wunderbar. Der elegante polnische Schriftsteller und Übersetzer Michał Rusinek, Leiter der Szymborska-Stiftung und ehemaliger Sekretär der Dichterin, gratulierte mir zu meiner roten Brille.

Diese Konferenz war eine andere Welt, zwei Tage Urlaub von der Juristerei. Die polnischen und deutschen Literaturwissenschaftler tauschten sich über verschiedenste Aspekte des Werks von Wisława Szymborska aus: ihre sogenannten Schnipselklebereien und Collagen, die Rezeption ihrer Poesie in Taiwan, Hongkong oder Slowenien, die (Un)übersetzbarkeit mancher Gedichte und ihre Vertonung. Ich habe viel über die Dichterin erfahren.

Mein Brotberuf, wie es so schön heißt, ist das Dolmetschen am EU-Gerichtshof. Es ist mehr als ein Brotberuf, es ist ein prestigeträchtiger, gut bezahlter, interessanter, herausfordernder, lebendiger Beruf. Mit der Übersetzung von Poesie hat rechtliches Dolmetschen mehr gemein als es scheint. Jedes Wort zählt und Genauigkeit ist gefragt. In den Jahrzehnten des Dolmetschens und Aktenstudiums als Vorbereitung auf die Gerichtsverhandlungen habe ich weit mehr Denkarbeit geleistet als bei der Übersetzung des polnischen Gedichts. Doch Dolmetscher bekommen selten Preise.

Frankfurt an der Oder

Ich bin vielseitig interessiert, das müssen Dolmetscher sein, aber die Geisteswissenschaften standen mir immer am nächsten. Könnte ich es mir aussuchen, so würde ich nur Literatur übersetzen. Gute Texte erfreuen und inspirieren mich. Manchmal träume ich davon, ein Buch zu schreiben, doch die Hürde meiner Ansprüche ist hoch und steht mir im Weg. Vielleicht war dieser Preis doch kein Zufall und ich sollte weitermachen mit dem literarischen Übersetzen. Das hat man mir in Frankfurt ans Herz gelegt. Mit dem Schreiben mache ich gerade jetzt ein kleines bisschen weiter.

***

 

Śmiech
Wisława Szymborska

Dziewczynka, którą byłam –
znam ją, oczywiście.
Mam kilka fotografii
z jej krótkiego życia.
Czuję wesołą litość
dla paru wierszyków.
Pamiętam kilka zdarzeń.

Ale,
żeby ten, co jest tu ze mną,
roześmiał się i objął mnie,
wspominam tylko jedną historyjkę;
dziecinną miłość
tej małej brzyduli.

Opowiadam,
jak kochała się w studencie,
to znaczy chciała,
żeby spojrzał na nią.

Opowiadam,
jak mu wybiegła naprzeciw
z bandażem na zdrowej głowie,
żeby chociaż, och, zapytał,
co się stało.

Zabawna mała.
Skądże mogła wiedzieć,
że nawet rozpacz przynosi korzyści,
jeżeli dobrym trafem
pożyje się dłużej.

Dałabym jej na ciastko.
Dałabym jej na kino.
Idź sobie, nie mam czasu.

No przecież widzisz,
że światło zgaszone.
Chyba rozumiesz,
że zamknięte drzwi.
Nie szarp za klamkę –
ten, co się roześmiał,
ten, co mnie objął,
to nie jest twój student.

Najlepiej, gdybyś wróciła,
skąd przyszłaś.
Nic ci nie jestem winna,
zwyczajna kobieta,
która tylko we
kiedy
zdradzić cudzy sekret.

Nie patrz tak na nas
tymi swoimi oczami
zanadto otwartymi,
jak oczy umarłych.

***

Lachen

Das Mädchen, das ich war –
ich kenne es, natürlich.
Ich habe mehrere Fotografien
aus ihrem kurzen Leben.
Ich empfinde fröhliche Nachsicht
mit ein paar Gedichten.
Ich erinnere mich an mehrere Ereignisse.

Aber
damit derjenige, der hier bei mir ist,
lacht und mich in den Arm nimmt,
erwähne ich nur eine Geschichte:
die kindliche Liebe
dieses hässlichen Entleins.

Ich erzähle,
wie sie sich in einen Studenten verliebte,
wie sie wollte,
dass er sie ansieht.

Ich erzähle,
wie sie auf ihn zulief,
mit einem Verband auf dem gesunden Kopf,
damit er sie, ach, wenigstens fragt,
was passiert ist.

Lustiges kleines Ding.
Wie hätte sie auch wissen können,
dass selbst Verzweiflung nützlich ist,
wenn man das Glück hat,
länger zu leben.

Ich würde ihr Geld für ein Stück Kuchen geben.
Oder fürs Kino.
Geh jetzt, ich habe keine Zeit.

Du siehst doch,
das Licht ist aus.
Du verstehst wohl,
dass die Tür verschlossen ist.
Rüttle nicht an der Klinke –
derjenige, der gelacht hat,
der mich umarmt hat,
ist nicht dein Student.

Am besten, du gehst zurück,
woher du gekommen bist.
Ich schulde dir nichts,
eine gewöhnliche Frau,
die nur weiß,
wann
man ein fremdes Geheimnis verraten kann.

Sieh uns nicht so an
mit deinen Augen,
weit aufgerissen
wie die Augen der Toten.

 

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